Trauma – Entstehung, Folgen und Therapie
Ein Trauma entsteht in der Regel, wenn ein seelisch tief einschneidendes Ereignis nicht bewältigt werden kann.
Am bekanntesten sind schwere Belastungssituationen, gewalttätige Übergriffe auf die eigene Person, Erleben von lebensbedrohlichen Situationen, Misshandlungen in der Kindheit oder Kriegserlebnisse, die zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS, engl. PTSD) führen können. Ein Trauma ist ein Trauma, egal, wodurch es letztendlich verursacht wurde. Menschen können durch jedes beliebige Ereignis traumatisiert werden, das sie (bewusst oder unbewusst) als lebensbedrohlich wahrnehmen.
Massive innere Anspannung, Albträume, Flashbacks, Übererregung, Angstzustände und Vermeidungsverhalten sind die bekanntesten Symptome eines Traumas.
Darüber hinaus gehören zu den o.g. Symptomen, die sich meist unmittelbar nach einem überwältigenden Ereignis entwickeln, auch Dissoziation und Verleugnung sowie Gefühle der Hilfslosigkeit, Bewegungsunfähigheit oder innere Erstarrung. Häufig wird das Trauma verdrängt oder verleugnet. Das ist in der Psychologie ein bekannter Abwehr- bzw. Überlebensmechanismus, der die Betroffenen davor bewahrt, diesen heftigen Schmerz erneut zu empfinden.
Dazu gibt es noch eine weitere Liste (Auszug) von Symptomen, die auch erst mit zeitlicher Verzögerung, d.h. auch nach Jahren auftreten können (nach P. Levine, aus dem Buch ‚Vom Trauma befreien’, S. 22ff.)
- Übermäßige Wachsamkeit (immer auf der Hut sein)
- Überaktivität (Hyperarousal)
- Abrupte Stimmungswechsel (wie z. B. plötzliches Weinen ‚ohne Grund’)
- Scham und mangelndes Selbstwertgefühl
- Essstörungen
- Herabgesetzte Fähigkeit mit Stress umzugehen
- Innere Leere (im Kopf) oder Gefühle der Entrückung (nicht da zu sein)
- Gefühle von Getrenntsein, Entfremdung und Isolation (z. B. das Gefühl ‚bei lebendigem Leibe tot zu sein’)
- Übertriebene oder verminderte sexuelle Aktivität
- Hautprobleme wie z. B. Stressakne
- Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit bis hin zum Gedächtnisverlust
- Selbstverletzendes Verhalten (Ritzen, Skin Picking etc.)
- Schwerer Missbrauch von Suchtmitteln
- Schwierigkeiten Vereinbarungen einzuhalten
- Zukunftsängste, Depressionen, vermehrtes Grübeln
Häufig bleiben die seelischen Wunden aber auch unsichtbar und es entwickeln sich daraus depressive Beschwerden und/ oder andere psychosomatische Störungsbilder (körperliche Beschwerden, die häufig medizinisch nicht erklärbar sind). Trauma-Symptome können stabil, also permanent vorhanden sein. Sie können jedoch auch vorübergehend auftreten wie z. B., wenn sie durch Stress ausgelöst werden. Mitunter bleiben sie auch über Jahrzehnte im Verborgenen und kommen plötzlich zum Ausbruch. Häufig werden sie mit der Zeit zunehmend komplexer und haben immer weniger Verbindung zum ursprünglichen traumatischen Ereignis.
Trauma wird als Ursache häufig nicht erkannt
Oftmals wird nicht erkannt, dass sich hinter Anzeichen wie selbstverletzendem Verhalten (Skin Picking, Ritzen etc.) Angst- und Panikstörungen, Depressionen, Suchterkrankungen, Konzentrationsstörungen, aggressivem Verhalten und chronischen Schmerzen ein Trauma verbergen kann. Therapien, die nur die Symptome behandeln, bleiben damit an der Oberfläche und wirken nur unzureichend.
Selbstverletzendes Verhalten hat bei traumatisierten Menschen eine Doppelfunktion und ist somit Ausdruck eines inneren Konflikts (nach M. Huber, aus dem Buch ‚Trauma und die Folgen’, S. 168ff.).
Es geht darum
- etwas zu spüren: den Körper, einen Schmerz, Gefühle, Tränen, nachlassenden Druck, Erleichterung . . .
und gleichzeitig
- etwas nicht zu spüren: das Eigentliche, die Realität des Traumas, die Wahrheit des früheren Leides, die Unmöglichkeit so weiter zu machen, die ohnmächtige Erschöpfung, die Wut . . .
Dem Begründer der modernen dynamischen Psychiatrie Pierre Janet zufolge hat Selbstverletzung die klassische Bedeutung eines Symptoms: Es ist die sekundäre fixe Idee, die von der primären fixen Idee – dem unbewältigten Teil der vergangenen (Trauma-) Erfahrung ablenken soll. Und wie bei jeder ‚Symptom-Trance’ ist auch bei selbstverletzendem Verhalten die Dissoziation der entscheidende Faktor.
Als Symptom hat Selbstverletzung häufig den Charakter einer Sucht. Das Ablaufschema der Selbstverletzung spricht dafür:
- Innerer Drang oder Druck
- Selbstverletzung
- Vorübergehende ‚Er-Lösung’
- Neuer Druck baut sich auf
Ähnlich wie bei anderen Süchten oder Zwängen verbergen Betroffene ihre Selbstverletzung oft aus Scham. Es kann auch vorkommen, dass die Wunden wie bei Skin Pickern im Gesicht offen gezeigt werden: Der Widersprüche gibt es viele – gleichzeitig enthält jede Selbstverletzung einen nonverbalen Hilfeschrei: „Sieh her, es geht mir so schlecht, dass ich mich selbst verletze, bevor es jemand anderes wieder tut.“ Die Umwelt reagiert aber leider häufig mit Irritation, Ärger und Unverständnis auf diese Art von Zeichen.